Heute Morgen waren wir in der Lutheranischen Kirche in Lands End. Wir treffen uns mit Esther am Kindergarten und laufen gemeinsam ins Dorf. Ich bekomme ein Tuch um die Hüften verpasst, weil ich eine Jeans trage. Meine Garderobe gibt einen langen Rock nicht her … und der ist Vorschrift für den Besuch des Gottesdienstes in Malawi. Die Kirche steht etwas am Ortsrand, es ist ein einfaches Gebäude, rechteckig, ohne Kirchenglocken und mit einfachen Glasfenstern. Das Innere ist mit frontal ausgerichteten Holzbänken eingerichtet, im vorderen Bereich hängen lange weiße und rosa Vorhänge bis auf den Boden. Die Kanzel besteht aus einem einfachen Holzgestell.
Mit etwas Verspätung startet der Gottesdienst um kurz nach 9 Uhr. Als besondere Gäste dürfen/müssen wir in der ersten Reihe Platz nehmen. Die Holzbänke sind niedrig und haben keine Rückenlehne. Hinter uns sitzt eine Reihe mit voluminösen Frauen in schönen einheitlich blauen Kleidern. Es ist der Hauptchor der Gemeinde.
Vorn rechts und links neben der Kanzel sitzen sieben Männer in Anzügen auf einzelnen Stühlen. An der rechten Seite steht vorn eine Bank, auf der vier Frauen sitzen. Einer der Männer eröffnet den Gottesdienst. Es ist auf Chichewa.
In der ersten halben Stunde wechseln sich Gebete (ich denke, das Vaterunser ist dabei und auch das Glaubensbekenntnis), Ansagen für die Gemeinde, Gesang und Begrüßungen ab. Wir werden als Gäste herzlich willkommen geheißen und dazu aufgefordert, die Gemeinde persönlich zu begrüßen und uns vorzustellen. Da der Pfarrer mit uns auf Chichewa spricht, brauchen wir etwas, bis wir verstehen, was von uns erwartet wird.
Vor allem sind wir beeindruckt vom wunderschönen Gesang der drei Chöre. Die Menschen hier haben alle eine mächtige Stimme, die sie ausdrucksvoll zum Einsatz bringen. Alle Lieder werden auswendig gesungen. Es gibt immer eine Art „Vorsängerin“, dann setzt der restliche Chor ein. Wunderschön. Gänsehautgefühl.
Als nächstes folgt eine Art Lobgesang der ganzen Gemeinde. Dafür gibt es auch wieder eine „Vorsängerin“ (es ist Hawa), die vor der Gemeinde steht bzw. kniet und aus voller Kehle leidenschaftlich vorsingt. Nach einer Stunde Gottesdienst sind wir bei der Predigt angelangt. Nach zwei Stunden Gottesdienst setzt das einmal im Monat stattfindende Fundraising ein. Hierfür wurde die Gemeinde in vier „Blöcke“ (je nach Wohngebiet) eingeteilt und für jeden Block gibt es einen „Kirchenführer“ bzw. „Ältesten“. Diese vier Blöcke konkurrieren miteinander um den „Fundraisingpokal“ – den derjenige Block erhält, der am meisten Geld gespendet hat. Doch zunächst wird die „normale“ Kollekte eingesammelt: drei verschiedene Körbe werden präsentiert. Esther erklärt uns, dass wir in die beiden linken etwas hineinwerfen sollen. Nach einer weiteren Gesangs- und Gebetseinlage, geht es nun mit dem Fundraising so richtig los: Es gibt mehrere Runden – mir kommt es fast so vor, als ob jedes Gemeindemitglied einzeln mit Namen aufgerufen wird – das Ganze wird immer begleitet vom Singen und Tanzen der verschiedenen Chöre. Das Geld wird noch während des Gottesdienstes gezählt und der Sieger ermittelt. Heute gewinnt allerdings niemand, weil das Fundraisingminimum nicht erreicht wurde. Die Gesamtsumme, die die Kirche hierbei eingenommen hat, ist aber doch beträchtlich: 140.000 Kwacha, das sind umgerechnet 180 Euro. Davon soll zunächst eine Küche für die Kirche gebaut werden und dann möchte der Pfarrer eine ganze neue und größere Kirche bauen, damit jeder, der vorbeigeht, stehenbleibt und diese schöne neue Kirche betreten möchte! Die Hauptmotivation bzw. der Stein des Anstoßes für den Bau dieser neuen und größeren Kirche gab der Besuch des blaugekleideten Frauenchores in einer anderen (kleineren und ländlicheren) Gemeinde, die eben eine solche Kirche besitzt, obwohl sie viel weniger Gemeindemitglieder hat. So zumindest hat es uns einer der Prediger während des Gottesdienstes – ausnahmsweise sogar auf Englisch – erklärt.
Nach drei Stunden – es ist inzwischen 12 Uhr mittags, wir haben Hunger, der Hintern schmerzt und auch die Blase drückt – ist der Gottesdienst vorüber. So ganz nebenbei erzählt uns Esther dann auch noch, dass vor dem Gottesdienst Sonntagsschule für die Kinder und Jugendlichen ist: ab 6 Uhr!!
Nach der Kirche gehen wir mit zu Hawa nach Hause. Dort wollen wir gemeinsam Nsima zubereiten, den traditionellen malawischen Maisbrei. Dafür macht Esther ein kleines Kochfeuer und setzt einen Topf Wasser auf. Es dauert fast eine halbe Stunde bis es kocht. Dann dürfen wir Maismehl einrühren und zwar so viel, bis das Ganze sehr dickflüssig ist. Unter Rühren wird es ca. 20 Minuten weitergekocht. Wir haben so viel Brei, dass der Topf am Überlaufen und das Umrühren mit dem großen Holzlöffel ganz schön anstrengend ist ….
Als der Maispap fertig ist, gehen wir ins Haus. Mit einem flachen Plastiklöffel wird der Pap auf Plastikteller verteilt – alles auf dem Boden. Zum Essen setzen wir uns dann an den einzigen Tisch. Auch Sai´s Frau ist gekommen. Jeder erhält einen Teller mit Pap, dazu gibt es eine Sauce, die aus zermahlenen Okra-Blättern, Erdnussmehl, Backpulver, Tomaten, Wasser und Gewürzen besteht. Gegessen wird mit den Fingern. Deshalb reicht Esther vor Beginn jedem eine Schüssel und schüttet aus einer Plastikkanne Wasser über die Hände. Der Pap wird mit den Händen zunächst zu einer kleinen Kugel geformt und dann drückt man in die Mitte eine Mulde, mit der man dann die Sauce „löffeln“ kann. Alles zusammen schmeckt ziemlich lecker! Juli isst sogar die Sauce, Mio nur den Pap. Aber immerhin!
Abgewaschen wird draußen in großen Plastikschüsseln, die am zentralen Wasserhahn mit Wasser aufgefüllt werden. Natürlich auch wieder auf dem Boden. Am Nachmittag verabschieden wir uns und machen uns ganz erfüllt auf den Rückweg ins Cultural Village.
Hier ist Silas schon seit der Mittagszeit. Er ist direkt nach der Kirche ins Cultural Village zurückgekehrt, weil er mit der lokalen Band verabredet ist, die jeden Sonntag zur Unterhaltung der Gäste im Restaurant auftritt. Silas hat letzten Sonntag schon mit ihnen verbracht und möchte heute unbedingt wieder dabei sein, so viel Spaß macht es ihm.
Als wir kommen, spielen sie noch. Silas ist voll bei der Sache.
Jochen und ich genießen eine Tasse Kaffee und die Musik. Und gönnen uns sogar einen Pfannkuchen dazu. Was für ein Luxus! Juli ist im Reitstall und Mio mischt abwechselnd die Kellner und die Musiker auf. Sie ist inzwischen bei allen hier bekannt …. Als die Band sich für heute verabschiedet und der Bandleader erfährt, dass wir nur noch bis Dienstag hier sind, versprechen sie, morgen Abend noch einmal zu kommen, um für Silas eine Abschiedsparty zu geben. Na, wenn das keine Ehre ist …!
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