Nun leben wir schon seit fast zwei Wochen hier im Großraum Kapstadt. Die Zeit verfliegt, und wir müssen uns immer wieder mal ins Bewusstsein rufen, was wir hier gerade erleben und wo wir sind. Dadurch, dass hier fast so etwas wie Alltag eingekehrt ist, gerät das ab und zu in Vergessenheit.
Wir bekommen manchmal Mails, in denen wir Nachfragen zu dem ein oder anderen Bericht erhalten, und nun möchte ich die Chance nutzen, einige dieser Fragen zu beantworten:
Wie ist unsere Meinung zu Robben Island?
Ich wollte unbedingt den Trip nach Robben Island machen, weil ich finde, dass das ein Teil der Geschichte dieses Landes ist und weil es meiner Meinung nach auch für die Kinder wichtig ist, sich mit dem Thema Apartheid auseinanderzusetzen. Außerdem war ich vor langer Zeit einmal auf Alcatraz und habe davon noch sehr bleibende Eindrücke.
Wenn wir im Voraus gewusst hätten, wie viel Zeit (und Geld) und dieser Ausflug kosten würde und wie wenig man tatsächlich sieht bzw. mitbekommt, hätten wir es wahrscheinlich nicht gemacht, sondern wären lieber in das Museum zur Apartheid gegangen. Denn im Endeffekt hat es uns einen kompletten Tag gekostet: erst einmal mussten wir 2 Stunden bis zur nächsten Tour warten und dann nochmal mehr als eine Stunde in der Schlange stehen, weil das Schiff Verspätung hatte. Und das, um ein 2-stündige Führung über eine Insel zu erhalten, auf der es außer ein paar Gebäuden nicht viel zu sehen gibt. Die erste Stunde auf der Insel war noch recht interessant: es war eine Busrundfahrt mit einem jungen, sehr engagierten und gebildeten Führer, der uns einiges zur Geschichte der Insel und seinen eigenen Erfahrungen aus den letzten Jahren der Apartheid erzählte. Leider gab es die Erklärungen nur auf Englisch, so dass Jochen und ich für die Kinder simultan übersetzen mussten, was nicht immer ganz einfach war.
In der zweiten Stunde zeigte uns dann ein ehemaliger Insasse das Gefängnis, unter anderem auch die Zelle von Nelson Mandela. Er warf mit irgendwelchen Daten um sich, dabei brüllte er so laut, dass sich seine Stimme fast überschlug und dazu sprach er noch ultraschlechtes Englisch, so dass wir kein Wort verstehen konnten.
Gelohnt hat sich der Trip dennoch vor allem deshalb, weil wir auf der Schifffahrt eine ganze Menge Wale beobachten konnten!
Wie sind unsere Erfahrungen bzgl. Kriminalität in Südafrika?
Auf dem Land kann man hier reisen und leben wie in Deutschland – zumindest haben wir diese Erfahrung gemacht. Dort haben nur die wenigsten Häuser einen (Elektro-)Zaun, aber eine Alarmanlage ist Standard.
In der Stadt sieht es ein wenig anders aus: Hier in Kapstadt und Umgebung sehen wir tatsächlich hohe Mauern, Stacheldraht oder Elektrozäune um die Häuser herum, dazu große Hunde, die das Grundstück patrouillieren. Lorna und Allan meinen, es sei hier nicht sicher für mich, allein joggen zu gehen, nicht einmal tagsüber. Bei Dunkelheit traut sich kaum jemand auf die Straße. Selbst Sam, der schwarze Arbeiter, geht dann nicht mehr gern zu Fuß nach Hause. Das Grundstück von Fatpony ist allerdings nur mit einem halbhohen Maschendrahtzaun und den 5 Hunden gesichert. Auf unsere Nachfrage hin, ob es hier für unseren Onkel Deutz sicher sei, sagte Munir, der Koch, hier käme nichts weg. Allerdings hören wir dann doch immer wieder, dass gewisse Werkzeuge oder Gartengeräte „nicht mehr da seien“ – wie und wo auch immer sie verschwunden sind ….
Ich habe noch nicht herausgefunden, ob es nicht ein wenig paranoid ist, hier tagsüber nicht joggen zu gehen. Was soll denn bei Helligkeit hier in dem relativ gepflegten Vorort von Kapstadt schon passieren? Doch egal, wen ich frage, bekomme ich die gleiche Antwort: „Ich würde das nicht tun …“. Also war ich bisher auch noch nicht.
Im Gespräch mit weißen wie schwarzen Südafrikanern hören wir oft, dass die Kriminalität deutlich zunehme. Der Präsident Zuma sei Gift für das Land. Er regiere wie ein König und würde tun und lassen, was er wolle. Viele wollen Südafrika verlassen, weil sie um ihr Leben fürchten. Ein junger schwarzer Besitzer eines kleinen Lebensmittelladens um die Ecke hier erzählte mir gestern, dass einer seiner Freunde vor kurzem auf der Straße erschossen worden sei. Auch er möchte weg aus Südafrika, weil man hier entweder nichts habe oder wenn man etwas hat, dann werde man von Kriminellen bedroht.
Als wir vor einigen Tagen wiederum im Zentrum von Kapstadt waren, fühlten wir uns dort so sicher wie in jeder anderen Großstadt auch. Natürlich achtet man auf seinen Rucksack und auf die Kamera. Selbst im Zug gab es keinen Moment, den wir als kritisch eingestuft hätten. Wir hatten dann noch ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit einer jungen Frau aus Holland, die einen Südafrikaner geheiratet hat und nun hier im Zentrum von Kapstadt lebt. Wir fragten sie im Vorbeilaufen, warum denn ihr Haus nicht mit einem hohen Zaun gesichert sei und sie antwortete, dass sie die Paranoia der Südafrikaner nicht unterstützen wolle und sie sich ohne Zaum sicherer fühle als mit. Ihr Haus sei übrigens das einzige in der Nachbarschaft, in das in der letzten Zeit nicht eingebrochen worden sei. Je höher die Mauern um das Haus, desto höher der Neid und damit die Kriminalität.
Ihr seht, wir konnten hier für uns noch zu keinem Ergebnis kommen. Es kommt auch immer darauf an, was man selbst erlebt hat. Ist man noch nicht bedroht worden, so hält man das ganze Land für ungefährlich, ist man einmal in eine kritische Situation gekommen, fürchtet man sich evtl. ständig und überall ….
Was ist unsere Erfahrung mit dem Apartheidsystem?
Die Geschichte Südafrikas ist noch jung und die Zeit der Apartheid nicht lange her. Das heißt, alle Menschen, die über 30 Jahre alt sind, haben eigene Erfahrungen mit der Apartheid gemacht. So schnell lässt sich eine solche Zeit nicht vergessen. Und das merkt man hier – einerseits am Verhalten der schwarzen bzw. weißen Bevölkerung insgesamt, andererseits hören wir aus Gesprächen immer wieder heraus, wie dieses Denken noch in den Köpfen der Leute festsitzt. Es ist zum Beispiel klar, dass hier auf diesem Reiterhof nur Weiße (und vielleicht eine Farbige) zum Reiten kommen, dass die Stallarbeiter aber Schwarze sind. Egal, wo wir bisher hingekommen sind, die Besitzer waren immer Weiße, die Arbeiter immer Schwarze. Wenn man dann die weißen Farmbesitzer weiter nach der Einstellung und der Arbeitsmoral der Schwarzen fragt, bekommt man so einige Geschichten zu hören. Es sei unheimlich schwer, verlässliche Arbeiter zu finden. Die Lohnauszahlung müsse zum Teil täglich erfolgen, weil sie sonst nicht mehr zur Arbeit erscheinen, wenn sie einen ganzen Wochenlohn erhalten haben. Und so weiter.
Aber wie ist das Verhalten der Weißen den Schwarzen gegenüber? Ist es fair? Haben die Schwarzen überhaupt eine Chance, ihren Rückstand aufzuholen in dieser Gesellschaft? Und wenn sie eine Chance bekommen, warum ergreifen sie nur selten (auch das haben wir gehört)?
Wir können nur berichten, was wir selbst sehen und erleben. Und dass die Gesellschaft sehr gespalten ist, ist offensichtlich. Dass es unglaublich arme Menschen gibt, sehen wir an den riesigen Slums, an denen wir schon vorbeigekommen sind. Und dass die Schwarzen kein oder nur wenig Selbstbewusstsein haben, ist uns auch schon aufgefallen (als Weiße wird man hier beispielsweise oft mit „Ma´am“ oder mit „Sir“ angesprochen). Ob sie fair behandelt werden, ob die Arbeitsverhältnisse gerecht gestaltet sind und die Menschen entsprechend entlohnt werden, können wir nicht wirklich beurteilen. Das scheint auch von Farm zu Farm sehr unterschiedlich zu sein. Wichtig ist, welche Chancen zum sozialen Aufstieg es in einem Land gibt und ob die Menschen in die Lage versetzt werden, diese Chancen zu nutzen. Aber das scheint sehr schwierig zu sein.
Wie sieht es aus mit unserem Visum?
Wir haben ja einmal geschrieben, dass wir versuchen möchten, unser 90-Tage gültiges Visum für Südafrika zu verlängern. Wir haben uns nach reiflicher Überlegung dagegen entschieden, weil der bürokratische und finanzielle Aufwand dafür enorm hoch wäre. Unter anderem müssten wir für uns fünf fast 1000 Euro für die Verlängerung zahlen, dazu bräuchten wir ein Rückflugticket aus Südafrika hinaus und außerdem noch Gesundheitszeugnisse, etc. Das heißt für uns, dass wir entweder wirklich nach 90 Tagen hier rausmüssen oder dass wir Glück haben, wenn wir zum Beispiel aus Lesotho ausreisen, dass uns ein Grenzbeamter einen neuen Stempel in den Pass drückt. Wir wissen noch nicht, ob wir herausfinden wollen, was passiert, wenn wir einfach länger hierbleiben ….
Für uns bedeutet dies, dass wir einfach wie geplant weiterreisen und zur Not am Ende dann das letzte Stück ganz schnell durchfahren bis zur Grenze nach Mosambik, um dann auszureisen. Wir lassen es einfach auf uns zukommen.
Pluspunkte für die Kinder:
Nachdem wir ja vor einigen Wochen einen großen Streit mit den Kindern hatten, was die Beteiligung an den gemeinsamen Aufgaben angeht, hatte ich ein Pluspunkte-System eingeführt. Diese Liste hängt seitdem an unserem Küchenschrank und es stehen auch einige Punkte darauf. Es hat auf jeden Fall geholfen, die Kinder für das Problem zu sensibilisieren. Wir hatten auch die Aufgaben neu verteilt. Das funktionierte in den ersten beiden Wochen sehr gut, nun hat es sich dahingehend relativiert, weil wir tatsächlich besser zusammenarbeiten und jeder jedem hilft. Die Diskussionen um das Abspülen haben deutlich abgenommen …. Hoffen wir, dass es so bleibt.
Ich hoffe, ich habe alle eure Fragen beantwortet. Ansonsten, fragt einfach weiter ….
Hallo liebe Schmiders!
Jetzt endlich will ich Euch auch mal ganz viele Gruesse schicken! Habe Eure Blogs schon eine Weile lang verfolgt und freue mich, dass es Euch gut geht!!!!
Alles Liebe und Gute von uns an Euch Alle und „Frohe Ostern“!
Bekke Hartwell