Gerade als wir in Richtung Addo unterwegs sind, erreicht uns eine Mail via unseren Blog. Unser Auftrag: eine Flasche Wein und eine Schokolade bei Elmarie in Port Elisabeth vorbeibringen. Eine uns unbekannte Leserin unseres Blogs ist eine sehr gute Freundin von Elmarie und schätzt vor allem ihre Arbeit im Township von PE. Das gibt uns nun die Möglichkeit, hautnah die andere Seite von Südafrika kennenzulernen. Eine Seite, zu der man als weiße Reisende sonst nur schwer Zugang findet. Wir sind sehr glücklich darüber und beschließen diesen ungeplanten Zwischenstopp in PE auf jeden Fall einzuschieben.

Dann geht alles ganz fix. Wir bekommen die Handynummer von Elmarie per Mail, erreichen PE spät am Freitagabend, ich rufe trotz der fortgeschrittenen Stunde noch bei Elmarie an und – ja, wir können morgen kommen. Sie holt uns um 9 Uhr am Campingplatz ab.

Wir sind schon sehr gespannt, was uns erwartet: Wie ist wohl Elmarie? Welche Motive leiten ihr Handeln? Was genau tut sie eigentlich? Wie und wo lebt sie? Wir wissen nur, was uns unsere Leserin in ihrer Mail mitgeteilt hat.
Und natürlich: Wie lebt ein Großteil der schwarzen Bevölkerung – nämlich die Menschen, die wir jeden Tag als Arbeiter_innen auf dem Campingplatz/im Backpacker/im Nationalpark/auf den Baustellen/… sehen? Wie groß ist ihre Armut? Ab und zu ist es uns gelungen, mit dem ein oder anderen ins Gespräch zu kommen, so dass wir schon etwas Vorwissen über das Leben im Township mitbringen. Aber besucht haben wir eben noch keines.

Es geht los: Elmarie und ihr Freund Willy sind da und wir fahren direkt ins Walmer Township zu Veronica, einer Frau, die sich um zwei Pflegekinder kümmert. Ihr Häuschen liegt in einem Teil des Township, dessen Häuser einen ziemlich gepflegten Eindruck machen. Es gibt auch innerhalb der Townships große Unterschiede: zum einen hat die Regierung (hauptsächlich in Zeiten des Wahlkampfs) ein Häuserprogramm für die Armen gestartet und so wurden in vielen Townships Siedlungen mit Anschluss an die Kanalisation und das Stromnetz gebaut. Die Menschen, die in den Genuss eines solchen Programms gekommen sind, können sich schon recht glücklich schätzen. Leider kommt das Programm nur sehr schleppend voran. Veronica hat also Glück gehabt. Sie wohnt in einem richtigen Haus mit Wasser und Strom, zwei Zimmern, einer winzigen Küche und einer Toilette. Es ist alles sehr klein, aber sauber und wohnlich. Die Kinder sind sehr erstaunt über die vorhandenen drei Fernseher („So viele haben ja nicht einmal wir!“). Juli und Mio sind hingerissen von dem 9 Monate alten schokoladenbraunen Baby und können sich kaum noch loseisen…

Veronica hat lange Jahre für Elmarie im Haushalt und als Kindermädchen gearbeitet und so sind die beiden in Kontakt gekommen. Und wie Elmarie, kümmert sie sich nun um Babys und Kleinkinder aus dem Township, deren Eltern dazu nicht in der Lage sind. Veronica ist eine äußerst sympathische Frau mit einem gewinnenden Lächeln und sie scheint nicht einmal überrascht zu sein über den Besuch aus Deutschland. Stolz zeigt sie uns ihr Hochzeitsfoto und einen Zeitungsartikel, der über sie als Pflegemutter berichtet. Außerdem wird das Haus nach und nach vergrößert. Auch jetzt sind Bauarbeiten im Gang.
Die Familie lebt von dem Geld, das ihr Mann als Tagelöhner und Gärtner jeden Tag mit nach Hause bringt (umgerechnet ca. 6-8 Euro). Für die Tätigkeit als Pflegemutter erhält Veronica etwas über 50 Euro pro Monat pro Kind und außerdem nochmals 60 Euro als eine Art „Stipendium“ über den Fond, den Elmarie mitverwaltet. Alles in allem also rund 300 Euro pro Monat, wenn alles gut läuft. Damit kann sie den täglichen Bedarf decken, allerdings hat keinerlei Krankenversicherung – so wie eigentlich niemand hier im Township.

Als nächstes fahren wir in einen ärmeren Teil des Township. Hier gibt es keine Häuser, die Hütten sind aus Wellblech und Pressspan selbstgezimmert, viele mit Stacheldraht gesichert. Genau in der Straße, in die wir wollen, versperrt uns eine große Baustelle den Weg: es wird eine Kanalisation gebaut. Nur über Umwege gelangen wir zum Haus von Vinola und Eric.
Hier erwartet uns ein etwas anderes Bild: ca. 30 Kinder im Alter von 1-4 Jahren leben auf mehr oder weniger 25m², davon ist die Hälfte innerhalb der Hütte, die andere Hälfte im „Garten“. Spielsachen Fehlanzeige. Das ist der Kinderhort des Township. Allerdings können nur 6 der 30 Eltern die Monatsgebühr von 5 Euro aufbringen. Die restlichen Kinder kommen einfach so. Vinola und Eric geben ihr Möglichstes und mehr, um sich um die vielen Kinder zu kümmern. Morgens um 6 Uhr kommen die ersten Kinder, abends um 19 Uhr werden die meisten abgeholt, einige bleiben auch über Nacht, weil die Eltern einfach nicht auftauchen. Alle Kinder wollen etwas zu essen, zu trinken oder auch einmal eine frische Windel. Auch zwei Kinder mit Down-Syndrom sind dabei.
Im „Garten“ hat Eric auf ca. 5m² einen kleinen Gemüsegarten angelegt: hier wachsen Tomaten, Spinat, Karotten, Bohnen und Rote Beete auf engstem Raum. Außerdem haben die beiden noch ein „Klassenzimmer“ in einer kleinen Hütte eingerichtet, in dem sie die älteren Kinder unterrichten. Auch das managen die beiden ohne viel Hilfe.
Nun haben sie vom Staat die Auflage erhalten, aus Brandschutzgründen die Wände aus Stein zu zimmern und allen Pressspan zu entfernen. Seit ca. 2 Jahren kauft Eric nun jeden Monat von seinen 80 Euro Rente, die er als 63-jähriger erhält, eine gewisse Anzahl Steine, um so irgendwann die erforderliche Mauer bauen zu können.
Was die beiden vollbringen ist eine ungeheure Leistung. Und das pausenlos – 24/! Um den Kinderhort zu finanzieren und das tägliche Essen für die Kinder zu kaufen, erhalten sie zusätzliche Spendengelder.

Nach dem Besuch im Township lädt uns Elmarie zu sich nach Hause ein. Dort treffen wir auf ihren 2-jährigen Pflegesohn Joshua – auch über ihn gäbe es noch eine ganz besondere Geschichte zu erzählen – und auf ihren 4-jährigen Enkel Xander, für den sie das Erziehungsrecht besitzt, weil ihre älteste erwachsene Tochter psychische Probleme hat. Außerdem treffen wir Barry, einen über 70-jährigen Missionar, der sein Leben lang im Township gelebt hat und über dessen Stiftungsfond Elmarie Geldspenden für die Familien im Township sammeln kann.
Abends zum Braai kommen dann noch eine Freundin von Elmarie mit ihrer 10-jährigen Adoptivtochter, außerdem 3 ehemalige Pflegekinder (ca. 3-4 Jahre alt), die nun an eine andere Pflegefamilie weitervermittelt wurden und die jugendliche Tochter von Willie samt Freund. Wir sind ein bunt gemischter Haufen von 8 Erwachsenen und 8 Kindern. Es ist ein toller Abend, den wir mit Sicherheit so schnell nicht mehr vergessen werden und bei dem wir sehr viel über Elmarie, ihre Großherzigkeit und ihre Arbeit als Pflegemutter für Kinder in Not erfahren dürfen.

Unser Onkel Deutz parkt vor der Haustür, so dass wir am Ende nicht mehr weit ins Bett fallen müssen nach einem sehr ausgefüllten Tag mit wahnsinnig vielen Eindrücken, die uns nachdenklich, aber auch dankbar machen.

Am nächsten Morgen beschließen wir als Familie für den Kinderhort Geld zu spenden. Auch unsere Kinder geben – wenn auch nicht ganz leichten Herzens – eine von ihnen selbstbestimmte Summe von ihrem Taschengeld ab.

Wir würden uns sehr freuen, wenn der eine oder andere von euch auch eine Spende für die wertvolle Arbeit von Elmarie, Veronica und Vinola machen würde. Damit werden wir nicht die Welt retten, aber vielleicht das Leben von ein paar Kindern verbessern.

Das Spendenkonto und einen Link zur Facebookseite von Elmarie demnächst.